Highway to Hell und zurück – Susanna

Angefangen hat alles mit einem Auffahrunfall am 6.2.2015. Mir fuhr auf dem Weg zur Arbeit jemand hinten auf, als ich an einem Stopschild stand. Mein Hausarzt sagte, ich soll deswegen am Montag zum Unfallarzt. Da meine Tage 2 Tage überfällig waren und am Montag sicher geröntgt werden sollte, kaufte ich einen Test. Positiv! Freude! Das zweite Wunschkind nach einer Fehlgeburt ist also tatsächlich unterwegs! Ich bin zwar krankgeschrieben wegen HWS, Rücken- und Kopfprellung, aber noch geht es mir gut. Am 12.2. konnten wir dann den kleinen schwarzen Punkt auf dem US sehen, abends holten wir uns Essen vom Griechen. Da wusste ich noch nicht, dass es meine Henkersmahlzeit ist. 

Ganz langsam schlich sich die Übelkeit in unser Leben. Ich bemerkte es irgendwie nicht, da ich keine Schmerzmittel wegen dem Unfall nehmen konnte und mit diesen Schmerzen beschäftigt war. Einzig allein mein Magen. Oh Gott tat der weh. Er krampfte 24h lang, zog sich zusammen wie ein ausgetrockneter Schwamm! Am 21.2. ging die Brecherei los. Ich hatte so Durst, aber konnte nichts behalten. Ich lag auf der Couch und versuchte vergeblich mir mit einem Teelöffel Flüssigkeit einzuflößen. Jeden Teelöffel erbrach ich wieder.
Mein Mann sagte nur ständig: Das hattest du bei der Großen auch. Nein, diesmal fühlte es sich anders an. Und es wurde anders!
Am Morgen des 22.2. rannte ich wieder nach jedem Schluck Wasser zum Klo. Mir tat schon alles weh vom Brechen. Hatte keine Spucke mehr und aufgeplatzte Lippen! Auf dem Klo war ich schon über 24h nicht mehr zum Pipi machen. Unter Tränen bat ich meinen Mann den ärztlichen Notdienst anzurufen.
Der Frauenarzt am anderen Ende riet meinem Mann, mich schnellstmöglich ins KH zu bringen. Es würde nichts mehr bringen mir eine Infusion zu geben, ich bräuchte mehr.
Dort angekommen musste ich erstmal 3 Stunden warten bis ein Arzt Zeit hatte, es war Sonntag und im Kreißsaal wohl viel los.
Aber als er mich untersuchte und dann die Blutergebnisse da waren, hingen sie mir sämtliches an Infusionen an! Nach 4! Litern konnte ich auch erstmal wieder pinkeln. Quietsch Orange!!! Mir war so schlecht und ich war so müde vom Vomex. Ich sollte erstmal nichts essen und trinken sondern rein über Infusionen versorgt werden. Doch ich alter Sturkopf bestand drauf am Donnerstag von der Infusion runtergenommen zu werden. Ein Fehler. Ich fing nach einer Stunde wieder das Brechen an. Jetzt gab es Zofran für mich. Aber auch das brachte nach tagelangen Versuchen wenig Erfolg. Außer die obligatorische, sehr schmerzhafte Zofran Verstopfung. Ein weiterer Versuch wurde mit MCP gestartet, aber auch das war ein Schuss ins Leere ?
Mir blieb nichts anderes übrig, außer mich zu sammeln, mir oral Flüssigkeit reinzuzwingen und 2 Tage kotzfrei zu sein, damit ich das KH verlassen durfte.
Irgendwie hat es funktioniert.
Zu Hause ging das Brechen weiter, teilweise 5-10 mal täglich. Nach 2 sehr aggressiven und exzessiven Brech-Sessions ist der Körper so geschwächt, dass man die anderen Male am Tag denkt, man würde sterben! Und das wollte ich. Fast 34 Wochen lang.
Ohne die seelische und tatkräftige Unterstützung meines Umfelds, den unzähligen ambulanten Infusionen beim FA hätte ich dem Elend ein Ende bereitet. Doch dazu fehlte die Kraft.
Es gab Tage, da war ich zu schwach den Geschirrspüler auszuräumen. Mein Körper und meine Seele waren von der Übelkeit zu 100% eingenommen. Die HG hatte volle Körperkontrolle und ich den absoluten Verlust über die Kontrolle. 12 kg minus zeigte die Waage in der 13. Woche. 8 davon nahm ich bis zur Geburt wieder zu.

HG nahm mir jegliche Lebensqualität, jede Lebensfreude, gesellschaftliches Leben.
Sie hat mich zerfressen.
Leider hatte ich nicht das Glück, dass es sich im Laufe der SS verbesserte, lediglich das Brechen wurde weniger. Die einnehmende Übelkeit war jedoch 24/7 präsent. Ab 18 Uhr lag ich täglich im Bett, versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen, denn schon ein Drehen von links nach rechts bedeutete: aufpassen, sonst brech ich gleich.
All dies gestaltete sich sehr schwer mit einem 3jährigen Kind. Viel zu oft hat sie gehört: Mama kann jetzt nicht, Mama geht’s nicht gut, Mama muss gleich brechen. Viel zu oft stand sie neben mir während ich über der Schüssel hing, und sah mir zu, wie ich weinte, nach Luft ringend, denn das aggressive Würgen kennt keine Verschnaufpause. Sie streichelte den Rücken und fragte: Mama geht’s wieder? Soll ich dir was zum lutschen bringen? Auf allen vieren kroch ich teilweise zurück ins Bett.
Duschen wurde zur Tagesaufgabe.
Es gab Ca 10 Lebensmittel, die ich im Verlauf der SS „gut“ bei mir behalten konnte. Genauso wie ich allmählich wusste, was man auf keinen Fall essen sollte, wenn man beim Brechen nicht ersticken will! Es gab Tage, da hatte es knappe 38 Grad und ich nur 0,5l Flüssigkeit getrunken.

Diese bisher schlimmste Zeit meines Lebens ist nun seit gut 10 Monaten vorbei, es war ein Highway to Hell und Gott sei Dank wieder zurück. Als Ergebnis bekam ich ein wundervolles und gesundes Kind, das unsere Familie nun komplett macht. Für sie würde ich es wieder tun, wer allerdings glaubt, dass nun alles vergessen ist, täuscht. DAS werde ich nie in meinem Leben vergessen….
Das ist ein Trauma, das man zwar aufarbeiten, jedoch niemals vergessen kann!

Selbst nach 10 Monaten habe ich Schwierigkeiten, ins Leben zurückzufinden. 2015 war einfach nur schwarz, ich erinnere mich an so gut wie gar nichts mehr. Es ist, als ob man im Überlebensmodus arbeitete und nach der Geburt ein Schalter umgelegt wird, nach dem Motto: bitte wieder normal funktionieren.
Von dieser Illusion geleitet, versank ich in einem schwarzen Loch. Erst die Erkenntnis, dass es eben so nicht sein muss, brachte mich zurück ans Licht.

Der Mensch hält viel aus, vor allem wenn ihm keine andere Wahl bleibt, außer aufzugeben oder weitermachen.
Ich danke Gott für meine gesunden Kinder.

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